Glossar
B
- Bock zum Gaertner machen
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Redewendung umgangssprachlich: einer Person eine Aufgabe übertragen, zu der sie nicht geeignet ist; demjenigen, der Schaden verursacht, die Pflege einer Sache anvertrauen.
Herkunft: Die Redewendung bezieht sich darauf, dass ein Ziegenbock in einem Garten die Pflanzen und Wurzeln fressen und die Beete zertrampeln würde, er also als Gärtner*in denkbar ungeeignet wäre. - Bund für Menschenrecht
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Der Verein Bund für Menschenrecht (BfM) war eine Organisation von homosexuellen Frauen und Männern, sowie Transpersonen in der Weimarer Republik seit 1920.
Der Verein umfasste in seiner Blütezeit (1930) nach eigenen Angaben 48.000 Mitglieder, wobei dabei wohl die Abonnent*innen der Zeitschriften für Homosexuelle aus dem Verlag des Vereinspräsidenten Radszuweit mit eingerechnet wurden. Nach der Machtübernahme der Nazis löste sich der Verein 1934 wegen Mitgliedermangel auf. mehr Info
F
- Frauenliebe
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Die Zeitschrift Frauenliebe erschien von 1926 bis 1930 einmal wöchentlich in einer Auflage von 10.000 Exemplaren im Karl-Bergmann Verlag im Format 22×29 cm und kostete 20 Pfennig.
Das 1926 verabschiedete Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften führte, wie bei vielen anderen lesbischen und schwulen Zeitschriften, 1928 zu einem zwölfmonatigen Verbot des öffentlichen Aushangs, des Straßenverkaufs und der Auslage in Buchhandlungen. Dennoch wurde die Zeitschrift weiter publiziert und vertrieben, bis zur zweiten Aufnahme in die Liste der Schundliteratur ab Mai 1931, was zur Einstellung der Frauenliebe führte. mehr Info - frau anders
- frau anders wurde als einzige Lesbenzeitschrift der DDR von 1989 bis 1993 in Jena von der Lesbengruppe im Arbeitskreis Homosexuelle Liebe in der Evangelischen Studentengemeinde Jena herausgegeben. Der Redaktion gehörten vor allem Bärbel Klässner, Kerstin Rösel, Kathrin Hübner und Christiane Mlynski an. Durch den Vermerk Nur für den innerkirchlichen Gebrauch konnte die Zeitschrift innerhalb der Evangelischen Kirche verbreitet werden und sich dem offiziellen Genehmigungsverfahren in der DDR entziehen. frau anders erschien alle zwei Monate in einer Auflage von 100 Exemplaren im Din A5 Format und diente vor allem dem Informationsaustausch und der Vernetzung von lesbischen Gruppen und Frauen in der DDR. So wurde die Zeitschrift auch unter den Leserinnen weitergereicht, wie Notizen auf den Heften belegen. mehr Info
H
- Homosexuellendezernat
- Das Homosexuellendezernat war seit 1885 in die Kriminalinspektion B. eingebunden und auch zuständig für Erpressungen, von denen viele homosexuelle Männer aufgrund der Strafbarkeit durch § 175 (RStG) betroffen waren. Homo- und transsexuelle Räume wurden durch die Einflussnahme von Beratern wie Magnus Hirschfeld und im Klima der gesellschaftlichen Liberalisierung teilweise von der Kriminalpolizei im Berlin der Weimarer Republik toleriert. Diese beginnende Toleranz endete mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. So wurde im September 1935 der § 175 (RStG) neu gefasst und auf alle homosexuellen Handlungen von Männern ausgeweitet, um Homosexuelle internieren zu können. Die Kriminalpolizei leistete ihren Beitrag zum nationalsozialistischen System. So arbeiteten die Homosexuellendezernate in den großen Städten eng mit der Gestapo und der Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung zusammen. Zwar wurden lesbische sexuelle Handlungen nicht strafrechtlich verfolgt, unter dem Vorwand der Asozialität oder Geisteskrankheit wurden lesbische Frauen dennoch unterdrückt und interniert. Ab 1944 war das Homosexuellendezernat der Berliner Kriminalpolizei angehalten, auch Daten von Lesben karteimäßig aufzunehmen. mehr Info
- HAW Frauen
- Die HAW-Frauen waren Teil der Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW) eine der vielen Homosexuellengruppen, die sich bundesweit nach Erscheinen von Rosa von Praunheims Film ‚Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt‘ (1971) gründete. Die HAW Frauen protestierten mit vielen Aktionen gegen den Itzehoe Prozess, wo zwei Frauen auf der Anklagebank saßen, und die Berichterstattung darüber. 1975 ging aus den HAW-Frauen das Lesbische Aktionszentrum Westberlin (LAZ) hervor, Organisation und Treffpunkt für Lesben und Feministinnen. mehr Info
K
- Kameradschaftsehe
- Homosexuelle Frauen und Männer gingen miteinander zur Tarnung sogenannte Kameradschaftsehen ein. Dafür inserierten sie oftmals Kontaktanzeigen in schwulen oder lesbischen Zeitschriften.
- Kuppelei
- Der Kupplungsparagraph § 180 StGB stellte seit 1872 sogenannte Kuppelei unter Strafe. Als Kuppelei bezeichnete man die Förderung und Tolerierung außerehelichen Geschlechtsverkehrs (Unzucht). In der BRD galt der Paragraph in der alten Fassung bis 1969. In der DDR wurde der Paragraph ein Jahr früher abgeschafft. mehr Info
L
- Lesben in der Kirche
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Der Arbeitskreis Homosexuelle Selbsthilfe – Lesben in der Kirche (LiK) war die erste eigenständige Lesbengruppe der DDR, die von 1982-89 im Freiraum der evangelischen Kirche in Ostberlin (u.a. Gethsemane Kirche, Prenzlauer Berg) als Oppositionsbewegung wirkte.
LiK wollten mehr Sichtbarkeit für Lesben in der DDR schaffen, denn lesbische Frauen waren in der Mehrzahl unsichtbar und isoliert. Neben den Treffen und Freizeitaktivitäten organisierte der Arbeitskreis viele Veranstaltungen aus feministischer und lesbischer Perspektive wie zu Frieden, Sexismus, Gesundheit und Geschichte.LiK setzten sich für die Anerkennung von Lesben im Kontext der nationalsozialistischen Verfolgung von Homosexuellen ein und fuhren mehrmals zur Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück (ehemaliges Frauenkonzentrationslager), um dort an die verfolgten lesbischen Opfer zu erinnern. Die Gruppe war sowohl national als auch international vernetzt und wurde vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als staatskritisch eingeschätzt, weshalb sie Überwachung und weiteren Formen der Repression ausgesetzt war. mehr Info
M
- Magnus Hirschfeld
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Magnus Hirschfeld (*1868 in Kolberg, heute Kołobrzeg) war ein jüdischer, schwuler Arzt und Sexualforscher.
Er prägte die weltweit erste Homosexuellen-Bewegung in Deutschland und gründete 1897 das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee, das sich für die Rechte von Homo- und Transsexuellen und für die Abschaffung des Paragrafen 175, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, einsetzte.
1919 gründete er das Institut für Sexualwissenschaft in Berlin, welches 1933 von den Nazis zerschlagen und geplündert wurde. Hirschfeld starb 1935 im Exil. - Margaret Rutherford
- Margaret Rutherford (1892-1972) war eine britische Schauspielerin, die Berühmtheit durch die Filmrolle als Miss Marple (1961-65) erlangte. 1960 lernte Margaret Rutherford den jungen Schriftsteller Gordon Langley Hall (1922-2000) kennen. Margaret Rutherford und ihr Mann Stringer Davis nahmen ihn bei sich auf und adoptierten ihn. Ende der sechziger Jahre entschloss sich Gordon, eine geschlechtsangleichende Operation vornehmen zu lassen, die es ihr ermöglichte als Dawn Langley Pepita Hall weiterzuleben. Kurz darauf heiratete sie ihren Chauffeur John-Paul Simmons und schloss damit die erste legale „interrassische“ Ehe in South Carolina. 1971, kam ihre Tochter, Natasha Margienell Manigault Paul Simmons, in Philadelphia zur Welt. Dawn Langley Pepita Simmons veröffentlichte zahlreiche Romane und Biografien, 1983 auch die ihrer Mutter Margaret Rutherford. mehr Info
N
- NSV
- Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) wurde 1932 durch die Nationalsozialisten als eingetragener Verein gegründet. Der Verein finanzierte sich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen, 1939 waren es elf Millionen Mitglieder. Die NSV übernahm zunehmend staatliche Aufgaben, vorwiegend im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit wie die Kinderlandverschickung. 1945 wurde die NSV durch die Alliierten verboten.
P
- Paragraph 175
- Der § 175 (1872–1994) stellte in Deutschland sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe und ermöglichte die Verfolgung Homosexueller. 1935 weiteten die Nationalsozialisten den §175 von „beischlafähnliche“ auf „sämtliche unzüchtige Handlungen“ aus, wodurch schon das bloße Berühren oder Anschauen strafbar wurde. Während die DDR 1950 zur ursprünglichen Fassung des §175 zurückkehrte und seit den 1960er Jahren Homosexualität unter Erwachsenen nicht mehr ahndete, wurde in der BRD die Fassung von 1935 beibehalten. Dies wurde 1957 durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt, wie auch die Straffreiheit weiblicher Homosexualität. In der DDR trat 1968 ein neues Strafgesetzbuch in Kraft, das mit §151 die gleichgeschlechtliche Handlung von erwachsenen Männern und Frauen mit Jugendlichen bis 1988 unter Strafe stellte. In der BRD wurde der §175 erstmals 1969/1973 dahingehend „reformiert“, dass nur noch sexuelle Handlungen mit unter 18jährigen strafbar waren. 1994 wurde der Homosexuellenparagraph aufgehoben. Im Jahre 2017 trat das Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach §175 verurteilten homosexuellen Männer in Kraft, von denen allerdings die meisten nicht mehr lebten.
V
- viril
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männlich, maskulin
lateinisch virilis, zu: vir = Mann
W
- Wir Freundinnen
- Im Oktober 1951 erschien die erste lesbische Zeitschrift der Bundesrepublik Wir Freundinnen, Monatsschrift für Frauenfreundschaft im Charles-Grieger-Verlag, Hamburg. Sie hatte ein DinA5 Format und kostete 1 DM. Auffällig ist, dass in der Zeitschrift keinerlei Anzeigen von Gewerbetreibenden oder Lokalen zu finden sind. Charles Grieger (1903-1972) war Künstler, Grafiker und Verleger von homosexuellen Zeitschriften. Viele Illustrationen in Wir Freundinnen sind von ihm. Er nutze seine Zeitschriften (u.a. Die Freunde) mit politischen Aktionen als Sprachrohr für die Rechte von queeren Menschen. So sammelte er mit dem „Kampffonds Gatzweiler“ in seinen Zeitschriften Geld für die Klage gegen Gatzweiler und die Herausgabe einer Gegenschrift zu dessen homofeindlichen Veröffentlichungen. Durch die politischen Aktionen gerieten die Zeitschriften zunehmend ins Visier der Behörden und wurde mehrfach verboten und beschlagnahmt (Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften). Das traf den Verlag und führte zu finanziellen Engpässen, die vermutlich auch zur Einstellung der Zeitschrift Wir Freundinnen nach nur fünf Ausgaben im März 1952 führte.